Brotterode am Inselsberg

Um Brotterode, den Inselsberg und seine Umgebung ranken sich eine Vielzahl von Sagen, Geschichten und unglaublichen Begebenheiten um goldsuchende Venetianer, spukende Burgfräuleins und geheimnisvolle Höhlen.

Die stolze Gräfin von der Brunosburg

Im Mittelpunkt dieser Sage steht eine stolze, herzlose Gräfin. Vor vielen, vielen Jahren stand einmal bei Brotterode eine Burg, die Brunosburg, genannt nach dem Ritter Bruno, der sie von den Bewohnern des kleinen Bergdörfchens erbauen ließ. Lange Zeit lebten hier Ritter mit ihren Frauen, bis eines Tages eine Gräfin einzog, die gegen jedermann stolz und herrschsüchtig war. Dieser Gräfin konnte es niemand recht machen, an allem hatte sie etwas auszusetzen. Besonders ihre Mägde hatten viel unter ihren Launen zu erdulden. Dem Kammermädchen erging es an erbärmlichsten. Liesel, so hieß das Mädchen, war ein nettes junges Ding, dunkelhaarig und mit großen Augen. Auf dieses Mädel war die Gräfin der Schönheit wegen neidisch. Die böse Herrscherin drohte ihr oft mit Schlägen, so dass es stöhnte und weinte und sich weit weg wünschte.

Der Burgberg und das ehem. Hotel Adler


Die Gräfin hatte dichtes schwarzes Haar, das ihr das arme Mädchen jeden Tag dreimal kämmen und flechten musste. Das Haar war aber so dicht, dass das Mädchen nur mit äußerster Kraft glatt zu kämmen war. Man kann sich vorstellen, dass das Mädchen danach jedesmal todmüde war und kaum noch seine Arme spürte. Die Gräfin jedoch gönnte ihr keine Ruhe, schickte sie vielmehr sogleich mit schweren Eimern zum Brunnen und schalt mit ihr, wenn nur ein Wassertropfen auf den Eichenfußboden spritzte.
Viel Geld und Gut hatten sich die Ritter der Brunosburg erschachert. Dadurch war die eingebildete Gräfin dazu auch noch sehr reich. Das wussten die Ritter und Adligen der Umgebung. Sie kamen oft zur Brunosburg und warben um das Burgfräulein. Die Nächte hindurch wurde hier oben auf der Burg gefeiert. Sie führte die Freier alle an der Nase herum. Wenn der fahle Morgen sich über das Waldgebirge erhob und die Sonne über dem Inselsberg aufging, schickte sie alle wieder fort. Sie mochte keinen der Ritter und Edelleute zum Manne nehmen, keiner war ihr gut genug. Mancher Ritter, der sich schon als Besitzer der Brunosburg fühlte, wurde schwer enttäuscht.


Die ganze Nacht hindurch hörte man das Lachen und Singen aus der Burg in die armseligen Hütten der Bewohner am Fuße des Burgberges.
Der Höhepunkt dieser Feste war erreicht, wenn alle tüchtig getrunken hatten. Dann löste die stolze Gräfin ihre dichten Haare auf und tanzte. Sie tanzte so stürmisch, bis ihre Haare wild durcheinander wirbelten. Ja, und am anderen Morgen dauerte es dann viele Stunden, ehe das arme Kammermädchen die Frisur wieder in Ordnung gebracht hatte. Wieviel Tränen und Schläge das junge Mädchen hier oben auf der Burg erlebte, wieviele Verwünschungen Liesel auf das Schloss mit der fürchterlichen Herrscherin aussprach, wir wissen es nicht. Doch in den folgenden Nächten wurde wieder gefeiert.
Eines Morgens fühlte sich Liesel nicht wohl. Furchtbar schmerzte der Hals, uns alle Glieder waren schwer. Sie ging mit Zittern und Zagen zur Gräfin und bat, einmal den ganzen Tag über schlafen zu dürfen, gewiss würde ihr dann wieder besser sein, und sie könnte dann der Gräfin zu ihrer Zufriedenheit zur Hand gehen. Kaum hatte jedoch das arme Ding diesen Wunsch geäußert, packte die Gräfin das Mädchen, schlug es heftig ins Gesicht und schrie:


"Hab dich nicht zum Faulenzen auf der Burg! Gleich holst du den Kamm und kämmst mein Haar, und wenn es nicht so wird wie alle Tage, lasse ich dich in den Turm werfen!" Da musste sich das kranke Kammermädchen fügen, doch war sie über alle Maßen zornig, und als sie sah, dass sich das Haar der bösen Frau über Nacht wieder ganz zerzaust hatte, sagte sie leise vor sich hin: "Ich wollte, dass gleich das verdammte Schloss mit der schrecklichen Gräfin zwanzig Klafter tief in den Boden versänke!"
Kaum hatte sie die letzten Worte gesprochen, gab es einen furchtbaren Donnerschlag, und die Brunosburg versank. Nichts mehr war von ihr zu sehen.
Mochten die Dorfbewohner, die Ritter und die Adligen sie suchen, sie war und blieb mit ihrer Gräfin verschwunden. Einzig das Kammermädchen wird alle sieben Jahre einen Tag lang auf der Erde gesehen. Sie sitzt dann im Wald, steigt wohl auch manchmal zum Inselsberg hinauf und blickt lange über das Land. Ein weißes Kleid, das von einem roten Gürtel gehalten wird, soll sie tragen. Neben ihr läuft stets ein weißer Hund, der ist klein und zierlich, doch hat ihn noch niemand bellen hören.


Einmal ist das Kammermädchen aus dem verzauberten Schloss auch nach Brotterode gekommen, hat sich neben den Kircheingang gesetzt und mit ihrem Hündchen gespielt. Wie es so geschieht, kam da gerade der Ortsschäfer mit seiner Herde vorbei. Der fragte das Mädchen, ob es nicht mit ihm kommen wolle, er sei schon alt und wäre immer allein auf der Weide, und es wäre ihm recht, wenn er etwas Gesellschaft hätte. Das Mädchen schüttelte darauf den Kopf und flüsterte: "Ein Knäblein von sieben Jahren, mit strohblonden Haaren kann mir die Seligkeit bewahren." Darauf wusste der Schäfer nichts zu sagen; er zog weiter, das Kammermädchen aber blieb den Tag über neben dem Kircheingang sitzen. Als es dann zu dämmern begann, und die Glocken den Abend einläuteten, verschwand sie, um erst nach sieben Jahren wiederzukehren.